Kennen Sie auch die Momente, in denen die Welt auf dem Kopf zu stehen scheint? Und Sie vielleicht das Gefühl haben, die Erde habe sich gerade ohne Sie gedreht? Wenn Sie sich nicht mehr auskennen? Wenn Sie zum Beispiel nicht wissen, was Sie als nächstes bestellen sollen?
Ich saß kürzlich an einem der wenigen heißen Tage an einem der Tische vor einem Café auf der Berger Straße. Ich saß im Schatten, entspannt, im Einklang mit den Dingen und beobachtete drei junge Menschen auf der anderen Straßenseite, die irgendwas mit Medien machten.
Ein Kameramann, einer, der dabei stand und dessen Funktion sich mir nicht erschloss, sowie eine Frau mit Mikrofon, die Vorrübergehende interviewen wollte.
Die meisten der Angesprochenen winkten ab und gingen weiter.
Zwischendurch las ich. Im Schatten war es angenehm und ich dachte mir, wenn ich Teil des Filmteams wäre, würde ich ein schattiges Plätzchen suchen.
Sie standen in der prallen Sonne und ich stellte mir vor, dass sie stark schwitzen.
Macht ja auch keinen guten Eindruck auf potentielle Interviewpartner, dachte ich mir. Vielleicht riecht es auch schon.
Warum sie gerade an dieser Ecke standen und die Kamera in Richtung Höhenstraße hielten, weiß ich nicht - aus meiner Sicht gab es keinen zwingenden Grund dafür, es sei denn, der Laden an der Ecke musste unbedingt ins Bild.
Vielleicht wäre einer von den dreien auch gerne irgendwoanders hin, konnte sich aber nicht entscheiden. Vielleicht litten sie an Abulie, der krankhaften Unfähigkeit, sich zu entscheiden. Gehen wir dorthin? Gehen wir dahin? Und blieben einfach stehen, zergehend in der Sonne und kaum einer der Vorrübergehenden konnte sich entschließen, ebenfalls stehen zu bleiben um später sein glühendes Gesicht im Fernsehen zu sehen.
Irgendwann hatten die drei genug und gingen ein paar Meter die Straße hinauf. Der Kameramann schwenkte sein Gerät im 360° Winkel und filmte somit auch die ihm gegenüberliegende Straßenseite mit dem Café, wo ich saß.
Schnell senkte ich meinen Kopf in Lesestellung und gab mir einen konzentrierten Gesichtsausdruck. Dann waren sie verschwunden und ich konnte mich wieder ernsthaft meinem Buch widmen.
Da fiel mir auf, dass mein Cappuccino ausgetrunken war. Und damit fing mein Problem an.
Was trinkt man um 16 Uhr im Straßencafé, wenn man kein kaffeehaltiges Getränk mehr möchte? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Diese Frage hatte sich mir noch nie gestellt. Zumindest konnte ich mich in diesem Augenblick nicht an eine möglicherweise schon einmal gegebene Antwort darauf erinnern.
Mein pragmatisches Gehirn dachte sofort an Bier.
Mein Gedächtnis erinnerte sich an Apfelsaftschorle.
Ich dachte, es muss doch noch was anderes geben und ließ mir die Karte bringen.
Und dann kam ich mir alt vor. Bionade kannte ich ja noch. Dass Rhabarbersaft hip ist, weiß ich auch irgendwoher. Anfreunden kann ich mich damit dennoch nicht.
Aber was ist Aloha? Ich dachte an Elvis im Hawaii Hemd und überwand mich, die Bedienung danach zu fragen - auch auf die Gefahr hin, angesehen zu werden wie Alpöhi auf Stadtbesuch.
„Sowas wie Bionade, nur nicht so süß.“
Ich war ein bisschen aufgeregt. Welche Welt sich mir hier erschloss.
Aloha.
Das ist Exotik, das ist Sonne, Hawaii, Hula-Hula Mädchen, Blumen im Haar und jetzt vielleicht noch ein erfrischendes Getränk!
Es gab drei Geschmacksrichtungen.
„Dann nehme ich so ein Aloha Edelflower.“
„Elderflower, Holunderblüte“, korrigierte die Bedienung und tänzelte hinfort.
Die Sonnenstrahlen hatten inzwischen meinen Tisch erreicht und ich träumte mich in eine Bar am Aloha Friday, dem Casual Friday auf Hawaii, an dem die Angestellten statt strenger Geschätskleidung ein Hawaiihemd tragen dürfen. Ein Team von Schweiss TV filmt Heidi beim Schwitzen und neben mir sitzt Elvis und spielt Ukulele. Er trägt ein rotes Hemd mit Mustern aus weißen Palmenblättern. Um 17Uhr zieht er eine Knarre aus dem Bund seiner Hose, schießt in den Monitor des Kameramannes, wischt die Rhabarbersaftgläser vom Tresen und piepst mit seltsam hoher Stimme:
"It's Gin o'Clock. Aloha to the spirits!"
Dann plötzlich stand die Bedienung vor mir und stellte eine Flasche mit durchscheinender Flüssigkeit und ein Glas auf den Tisch.
Beim Einschenken hielt ich das Glas schräg. So, wie ich es vom Bier gewohnt bin.
Ein bisschen Würde muss schließlich sein.
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